Europarat kritisiert Klagen gegen Pestizidkritiker in Südtirol als Angriff auf die Meinungsfreiheit

umweltStraßburg/München/Bozen, 27.10.2020: Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, stuft die Klagen wegen übler Nachrede in Südtirol gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München und den Buchautor Alexander Schiebel als Missbrauch der Justiz ein. In einem heute veröffentlichten Kommentar nennt sie die Anzeigen des Südtiroler Landesrats für Landwirtschaft gegen Kritiker:innen des hohen Pestizideinsatzes in der Region als Beispiel für sogenannte SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuit Against Public Participation). Diese unverhältnismäßigen Klagen würden strategisch eingesetzt, um kritische Stimmen einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, so die Kommissarin. Aus Sicht von Mijatovic stellen SLAPPs eine erhebliche und wachsende Bedrohung für das Recht auf freie Meinungsäußerung in einigen europäischen Staaten dar. Zudem würden durch sie das Justizsystem und die Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen missbraucht. Die Menschenrechtskommissarin ruft die Mitgliedstaaten des Europarats auf – somit auch Italien – Maßnahmen gegen derartige Klagen zu ergreifen.

Karl Bär, Agrarreferent im Umweltinstitut München: „Die Menschenrechtskommissarin des Europarats sieht die Anzeigen gegen mich, unseren Vorstand sowie Alexander Schiebel und seinen Verleger ganz klar als einen Angriff auf die Meinungsfreiheit. Der Südtiroler Landesrat Arnold Schuler und die dortige Obstwirtschaft müssen ihre unsäglichen Anzeigen wegen übler Nachrede endlich zurückziehen. Nicht unsere Kampagnen oder das Buch “Das Wunder von Mals” waren Grenzüberschreitungen, sondern die Strafanzeigen wegen Kritik am Pestizideinsatz.“
Nicola Canestrini, Rechtsanwalt von Bär und Schiebel: “Auf höchster Ebene wurde anerkannt, dass meine Mandanten rechtlich schikaniert werden, um sie zum Schweigen zu bringen. Dem haben wir uns entgegengesetzt. Diese Prozesse sind schon jetzt ein Meilenstein im Kampf um die Meinungsfreiheit.“
Um strategische Klagen zu verhindern, fordert Menschenrechtskommissarin Mijatovic unter anderem die lokalen Gerichte auf, SLAPPs frühzeitig abzuweisen. Auch müsste der Missbrauch von Klagen künftig bestraft werden, insbesondere durch die Umkehrung der Verfahrenskosten. Von SLAPPs betroffene Personen müssten zudem praktisch unterstützt werden.

Anlass der Klage gegen Karl Bär war die Aktion „Pestizidtirol“ des Umweltinstituts München im Sommer 2017. Die Umweltorganisation platzierte ein Plakat in der Münchner U-Bahn, das eine Tourismus-Marketing-Kampagne Südtirols ironisch verfremdete. Zusammen mit einer Website hatte die Aktion zum Ziel, auf den hohen Pestizideinsatz in der beliebten Urlaubsregion aufmerksam zu machen. Der Vorwurf der üblen Nachrede im Fall von Schiebel und seinem Herausgeber, dem oekom verlag, bezieht sich aufeine Textpassage des Buches „Das Wunder von Mals“, in welcher der Autor den Pestizideinsatz in Südtirol anprangert. Den Betroffenen drohen bei einer Niederlage nicht nur eine Haft- und Geldstrafe, sondern auch mögliche Schadensersatzforderungen von Landwirt:innen in Millionenhöhe und damit der finanzielle Ruin.

SLAPPs sind von mächtigen Akteur:innen (zum Beispiel Unternehmen, Beamt:innen in privater Eigenschaft oder hochrangigen Personen) angestrengte Klagen, um diejenigen einzuschüchtern oder zum Schweigen zu bringen, die im öffentlichen Interesse Missstände benennen. Typische Opfer sind Personen mit einer Überwachungsfunktion, zum Beispiel Journalist:innen, Aktivist:innen oder Wissenschaftler:innen. Merkmale eines SLAPP-Falles sind unter anderem die unverhältnismäßige und aggressive Wahl der Mittel im Vergleich zum angeblichen Vergehen. Meist werden eher Einzelpersonen statt ganzer Organisationen angezeigt und die Klagen entbehren einer faktischen oder rechtlichen Grundlage. Italien ist ein Hotspot solcher strategischer Klagen. Dort werden jährlich mehr als 6.000 beziehungsweise zwei Drittel der Verleumdungsklagen gegen Journalist:innen und Medien von Richter:innen als unbegründet abgewiesen
Weitere Informationen

Zum Kommentar der Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatovic zu SLAPPs: https://www.coe.int/en/web/commissioner/-/time-to-take-action-against-slapps

Quelle: umweltinstitut.org

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