Ich bins dein Nachbar...Karin Kohl
Sie lebt in Buchheim, arbeitet beim Sozialgericht in der Verwaltung und hat vor einigen Jahren einen neuen Weg in ihrem Leben entdeckt. Seitdem praktiziert Karin Kohl Falun Gong. Dies ist eine buddhistische Schule aus China. Vielleicht haben Sie sie schon einmal auf der Domplatte gesehen. Denn Karin Kohl demonstriert gemeinsam mit anderen Menschen regelmäßig, um auf die Verfolgung und grausame Folter von Falun Gong-Praktizierenden im Ursprungsland aufmerksam zu machen. Dabei wollen sie u.a. Chinesen informieren.
Wir haben Karin Kohl getroffen und mit ihr über sich selbst Falun Gong und China gesprochen.
Kurz gesagt:
Ein guter Tag beginnt für mich wenn…ich morgens meine Übungen mache
Ich komme ursprünglich aus…Buchheim
Mein liebster Fleck Buchheim ist…im Garten meiner Eltern
Drei Worte, die meinen Charakter beschreiben…wahrheitsliebend, bodenständig und zufrieden
Ich mag es gern…wenn ich Zeit habe zu lesen
Ich mag nicht gern…wenn es zu laut ist
Ich lese zur Zeit das Buch… „Zhuan falun“ von Li Hongzhi
Dieses Erlebnis vergesse ich nie…dass ich 2006 in Amerika war
Auf eine einsame Insel nehme ich mit…mein Buch
Als Kind wollte ich…mit andern Kindern spielen
Glück bedeutet…wenn alle Menschen glücklich sind
Liebe Karin. Du hast bis jetzt dein gesamtes Leben in Buchheim verbracht. Was gefällt dir an deiner Heimat?
Ich finde es schön. Buchheim ist eigentlich wie ein Dorf. Ich treffe immer wieder dieselben Menschen und es ist ruhig. Ich wohne an der Merheimer Heide und momentan kucke ich auf ein blühendes Rapsfeld. Nicht weit davon sind die Herler Burg und die Herler Mühle. Meine Familie lebt hier. Daher hat mich nie das Fernweh gepackt.
Wie würdest du die Kölner Mentalität bezeichnen?
Die Kölner sind eigentlich sehr aufgeschlossen und freundlich. Man kommt schnell mit jemandem ins Gespräch. Wenn ich bspw. in der Bahn sitze, finde ich immer jemanden mit dem ich plaudern kann. Auch nehmen die Kölner das Leben etwas leichter und sind nicht so ernst.
2002 bist du mit Falun Gong in Berührung gekommen und hast diese Lebensschule in dein Leben übernommen. Was ist Falun Gong?
Es ist ein buddhistischer Weg, der seinen Ursprung in China hat. Das Wissen wurde früher im Geheimen von einem zum anderen weitergegeben. 1992 ist dies durch Herrn Li Hongzhi an die Öffentlichkeit gekommen. Die Menschen haben sich dadurch sehr geändert. Grundlage sind zum einen die drei Prinzipien: Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht, nach denen man lebt. Zum anderen macht man regelmäßig fünf Übungen. Das sind drei Bewegungs- und eine Meditationsübung im Stehen und eine Meditation im Sitzen.
Wie überträgt sich die Lehre auf das Leben?
Man schaut, dass man die Wahrheit sagt, mehr nach anderen schaut und dass es denen gut geht. Man nimmt sich selbst nicht so wichtig, wird nachsichtig und geduldig. Die eigentliche Praxis ist, dass man seine schlechten Eigenschaften, wie Neid und Geltungssucht u.s.w. vom Herzen her loslässt.
Kannst du uns die Methodik beschreiben?
Man muss stets an sich arbeiten. Und wenn ich merke, dass mich etwas berührt, dann schau ich bei mir, woher kommt das? Da ist oft viel Egoismus mit dabei. Als Beispiel, wenn ich einen Konflikt mit jemandem habe, frage ich mich, warum habe ich diesen Konflikt? Warum ärgere ich mich und bin berührt? Dann merke ich woran es eigentlich bei mir lag, kann daran ansetzen und an mir arbeiten. Die Folge ist allzu oft, dass sich der Konflikt dadurch von allein auflöst.
Wie wird Falun Gong praktiziert?
Falun Gong wird weltweit praktiziert und man findet im Internet sehr viel Information darüber. Es ist alles kostenlos und es gibt keine Listen, wo man sich einträgt. Wenn man in eine Übungsgruppe möchte, dann kann man im Internet schauen, wo es eine Übungsgruppe in der Nähe gibt. Da es keine Organisation gibt, werden bspw. die Räume von Teilnehmern, die das möchten und können, selbst gemietet und bezahlt. Ebenso sind alle anderen Informationsmaterialien selbst finanziert. Man macht Falun Gong ganz allein für sich selber.
Wo und wie kann man Falun Gong in Mülheim praktizieren?
Man kann allein üben oder in einer Gruppe. In der Gruppe macht man zusammen die Übungen und liest die Schriften. Man tauscht sich aus und redet über die eigenen Erfahrungen. Mir sind sowohl das Gespräch, wie auch das gemeinsame Üben sehr wichtig.
Unsere Gruppe trifft sich immer dienstags um 18 Uhr im Bürgerzentrum MüTZe auf der Berliner Str. Jeder der möchte kann kommen und mitmachen.
Die Übungen werden jeden Sonntag um 9 Uhr in Deutz auf einer Großen Wiese am Hyatt-Hotel, durchgeführt.
Was macht Falun Gong für dich aus?
2002 haben mich meine Geschwister ermutigt Falun Gong auszuprobieren. Erst habe ich gezögert, bis ich gemerkt habe, dass mir das praktizieren gut getan hat. Seitdem bin ich regelmäßig mit dabei. Ich bin katholisch erzogen und für mich ist wichtig, dass man Falun Gong für sich selbst macht. Ohne Zwang. Es gibt niemanden, den man anbetet und keine Kirchen. Als ich diesen Weg gefunden habe, war ich begeistert.
Was hat sich für dich geändert?
Ich habe mich sehr verändert. Ich war früher sehr aufbrausend, habe viel geschimpft und habe auch mal geschrien. Schreien kann ich gar nicht mehr. Das heißt, ich bin viel ruhiger, gelassener und geduldiger geworden. Es kann mich auch nichts mehr schocken. Wenn etwas ist, dann kann ich auch immer bei mir selber kucken, woran liegt das?
Kannst du uns Situationen als Beispiel nennen?
Wir waren im vorigen Jahr in einem Hotel mit all-inclusiv Verpflegung. Wir wurden also rund um die Uhr verpflegt und es gab große Buffets mit Leckereien. Es fiel mir schwer, nicht maßlos zu essen. Im Falun Gong sagen wir: Ich esse um satt zu werden. Denn nichts weiter ist Essen. Also habe ich mir einen Happen auf den Teller gemacht und habe es mir verkniffen nochmals ans Buffet zu gehen. Das war nicht einfach. (lacht)
Auch hatte ich eine Spinnenphobie. Das hat mich sehr eingeschränkt. Ich habe überall nach kleinen Tieren geschaut und habe mich unwohl gefühlt. Es war eine schlimme Angst. Daran habe ich so gut arbeiten können, dass ich kleine Tiere und Spinnen gar nicht mehr sehe und wahr nehme.
Falun Gong kommt aus China. Doch diese, wie alle religiösen Strömungen werden von der Kommunistischen Partei nicht geduldet. Die Menschen werden verfolgt, eingesperrt und teilweise gefoltert. Du bist Teil einer Gruppe, die auf der Domplatte regelmäßig darauf aufmerksam macht. Was ist die Problematik?
Als Falun Gong bekannt wurde, haben innerhalb kürzester Zeit ca. 100 mio. Menschen dies praktiziert, darunter auch hohe Parteifunktionäre. Es wurde vom chinesischen Staat gefördert und die praktizierende Gruppe wuchs schnell an.
Warum ist das gekippt?
Seit etwa 1999 wird Falun Gong verfolgt. In China ist die Kommunistische Partei an der Macht und sie sind atheistisch. Die Hauptursache ist, dass die Partei alles kontrollieren will. Nun war da eine große Gruppe, die sagt, wir machen keine schlechten Sachen. Das war beängstigend für die chinesische Regierung. Der damalige Präsident Jiang Zemin konnte damit nicht umgehen und damit gingen die Verfolgung und die negative Propaganda los.
Was ist passiert?
Ich nenne ein Beispiel. Man hat Falun Gong-Praktizierende nach Peking gelockt und zu einer Petition für die Praxis aufgerufen. Somit haben sich viele Menschen versammelt. Von der Partei wurde später verbreitet, dass diese Menschen das Regierungsgebäude stürmen wollten. Viele Medien haben die Aussagen der Staatführung 1:1 übernommen, ohne einmal zu hinterfragen. Mittlerweile kommt immer mehr an die Öffentlichkeit. Man hat die Menschen eingesperrt und teilweise gefoltert. Sie sollten eine Verzichtserklärung unterschreiben, dass sie von ihrem Glauben ablassen. Wenn ich einen festen Glauben habe, dann lege ich ihn nicht ab. Also sind sie entweder unter der Folter gestorben oder man hat kurz vor ihrem Ableben die Menschen zu ihren Angehörigen zurück gebracht. Dadurch sind die meisten Bilder entstanden. Seit etwa 2001 wurde nur noch die Urne zurückgeschickt.
Wie sind die Informationen ans Licht gekommen?
Ein chinesischer Militärarzt hat sich 2006 aus China abgesetzt. Er berichtete über 36 Konzentrationslager. Er wusste genau, wo sie waren, wie sie hießen und welchen Codenamen sie hatten. Im größten Lager waren 125.000 Falun Gong-Praktizierende. Dieser Arzt hat die Organentnahmen zum ersten Mal öffentlich gemacht. Daraufhin haben die beiden Kanadier David Kilgour (ehem. Parlamentsabgeordneter, für den Bereich Asien/Südpazifik aktiv) und David Matas (Menschenrechtsanwalt) angefangen zu recherchieren. Sie haben jeweils 2006 und 2007 einen „Untersuchungsbericht zu den Anschuldigungen der Organentnahmen an Falun Gong-Praktizierdenden in China“ der Öffentlichkeit präsentiert.
Was hat es mit den Organentnahmen auf sich?
Wenn ich in China ein Organ benötige, bekomme ich es innerhalb von ein paar Tagen. Meistens sind die „Spender“ Falun Gong-Praktizierende. Ihnen werden oft bei lebendigem Leib die Organe entnommen. Es trifft alle Glaubensgruppen (Moslems, Christen, Tibeter…), Falun Gong ist die größte Gruppe.
Zusätzlich wird durch taktieren und negative Propaganda Falun Gong als etwas Schlechtes dargestellt. So hat man die Bevölkerung dagegen aufgebracht.
China ist weit weg von Köln, mit welcher Motivation steht ihr auf der Domplatte und demonstriert?
Wir wollen viele Leute und vor allem Chinesen erreichen. Der Dom ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel. Hierher kommen Touristen aus der ganzen Welt.
In China bekommt die Bevölkerung nur zensierte Nachrichten, denn alle Medien stehen unter staatlicher Kontrolle. Unsere Hoffnung ist, wenn Chinesen uns am Dom sehen, genauso wie in London oder Paris, kommen sie vielleicht ins Nachdenken.
Am Anfang dachte ich mir: Hm…wenn wir hier allein stehen. Bringt das überhaupt etwas? Allerdings wurde mir im Laufe der Zeit bewusst, allein, dass uns die Menschen sehen und wahrnehmen, löst das schon viel aus.
Es passiert einiges in China. Mittlerweile sind ca. 70 Mio. Chinesen aus der kommunistischen Partei ausgetreten. Wie begegnen euch die Chinesen?
Die Situation ist so, dass man schon als Kind Pionier wird und irgendwann muss man in die Partei eintreten. Es wird ihnen also schon als Kind eingebläut, was die Kommunistische Partei macht und sagt ist richtig, egal was andere sagen. Daher begegnen uns Chinesen, vor allem junge Leute, eher skeptisch und fragen was wir hier überhaupt machen.
Doch es ist zu spüren, dass immer mehr Leute, offener werden und sich informieren. Manche sind sogar sehr erfreut über die Informationsmöglichkeit. Was sie früher nicht gemacht haben. Die wenigsten wissen z.B. was auf dem Platz des Himmlischen Friedens passiert ist.
Das ist für uns kaum zu glauben. Wie siehst du die Chinesen, die euch begegnen?
Man muss die Menschen verstehen. Wenn man in dieser Parteienkultur aufwächst und sich bewegt, hat man nie gelernt selbst und frei zu denken. Dann fällt es schwer, dass sie sich mit Kritik an der Staatsführung Chinas konfrontieren. Zusätzlich spielt Angst eine große Rolle. So haben bspw. einmal Chinesen (auf Chinesisch) zu mir gesagt, sie seien Japaner. Man kann sich das als BRD-Bürger gar nicht vorstellen. Alles wird kontrolliert, der eine kontrolliert den anderen. Es dauert einfach alles seine Zeit.
Wann seid ihr auf der Domplatte?
Wir stehen seit fast fünf Jahren vor dem Dom. Wir machen auf die Menschenrechtslage, vor allem auf die Folter und Verfolgung von Falun Gong-Praktizierenden aufmerksam. Wir sind bei Wind und Wetter dort. Unsere festen Termine sind Di + Fr. 16-17/18 Uhr und Sa + So 12-15/16 Uhr. Zusätzlich stehen fast jeden Tag Frauen an den Touristenbussen in der Komödienstraße und verteilen Informationsmaterial an Chinesen.
Gibt es weitere Aktionen?
Es wird friedlich weltweit demonstriert. Man möchte hierbei das Gute an der Lehre zeigen. Es wird Musik gemacht und getanzt. Falun Gong ist eigentlich etwas sehr schönes und kann Menschen sehr viel geben.
Welche Informationsmöglichkeit haben die Menschen, um mehr über China und Falun Gong zu erfahren?
Es gibt mehrere Möglichkeiten. Es wurde ein Buch verfasst: Die „Neun Kommentare“ über die Kommunistische Partei. Hier wird dokumentiert, wie die Kommunstische Partei an die Macht gekommen ist und wie der Werdegang bis heute ist. Allein unter Mao sind über 80 Mill. Chinesen eines unnatürlichen Todes gestorben.
Außerdem gibt es die Zeitung: „The epoche times“. Sie ist durch Exil-Chinesen ins Leben gerufen worden. Neben Hintergrundinformation aus allen Ländern, sind hier viele Berichte aus China nachzulesen.
Über Falun Gong kann man sich kostenlos unter www.falundafa.org und www.faluninfo.de informieren. Unter www.falunhr.org kann man eine Petition an die Regierung unterzeichnen, in der man sie aufruft sich dafür einzusetzen, dass die Verfolgung aufhört.
Das Standartwerk von Falun Gong heißt „Zhuan Falun“
Wie geht es deiner Meinung nach weiter?
Ich denke schon, dass sich etwas tut in Chinas. Es gibt immer mehr Menschen, die heraustreten aus dem System und sagen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie geben alles auf und riskieren ihr Leben. Es gibt z.B. den Fall des ehemals angesehenen Anwalts GAO Zhisheng. Er hat ein Buch geschrieben: „Chinas Hoffnung – Mein Leben und Kampf als Anwalt im größten kommunistischen Staat“ Er selbst ist gläubiger Christ und hat kritische offene Briefe an die Parteiführung geschrieben. Hierfür wurde seine renommierte Kanzlei geschlossen und GAO Zhisheng wurde schließlich verhaftet.
Zusätzlich ist durch das Internet viel möglich. Hierdurch wurden bereits Ungerechtigkeiten unter der chinesischen Bevölkerung bekannt gemacht und man konnte gemeinsam dagegen vorgehen.
Was ist dir durch Beschäftigung mit China aufgefallen?
Wir haben das große Glück relativ frei aufzuwachsen und sagen zu können, was wir wollen. Beim Lesen des Buches von GAO Zhisheng habe ich mir immer wieder gedacht…Mein Gott, geht es uns hier gut.
Wenn du die Macht hättest die Welt zu gestalten, wie du sie gern hättest, wie sähe sie dann aus?
Ich würde kucken, dass die Menschen sich dem Guten zuwenden und nach den Prinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht leben. Dann sähe die Welt ganz anders aus. Ich denke, im Grunde sind die Menschen gutherzig.
Kein Mensch kommt bösartig auf die Welt. Was meinst du kann man im Alltag tun, um seine Umwelt positiv zu beeinflussen?
Wenn man mehr auf andere achtet und sich selbst nicht so wichtig nimmt, dann tut sich schon sehr viel. Es wäre alles einfacher. Wenn es dem anderen gut geht, geht’s mir im Grunde ja auch gut.
Heutzutage ist das Materielle vorherrschend. Die inneren Themen und die Moral gehen dadurch verloren. Deswegen wäre es sinnvoll, sich klar zu machen, dass es nicht das Materielle ist, was uns zufrieden macht. Zusätzlich ist es wichtig, dass das Bewusstsein, wiederkommt, wenn ich etwas Schlechtes tue, hat das Konsequenzen. Das will heute leider keiner mehr hören.
Was wünschst du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir dass sich in China einiges ändert und dass die Leute wieder nach ihrem Glauben leben können.
Vielen Dank für das informative Gespräch
Ilka Baum
Informationen zu Falun Gong:
www.falundafa.org
www.faluninfo.de
„Zhuan Falun“ von Li Hongzhi, ISBN 3-932273-59-1 (kostenlos aus dem Internet runterzuladen)
weitere Informationen:
„Chinas Hoffnung – Mein Leben und Kampf als Anwalt im größten kommunistischen Staat“ von GAO Zhisheng, agenda Verlag Münster, ISBN 978-3-89688-355-1
„Neun Kommentare – über die Kommunistische Partei“ ; Epochtimes Europe Zeitungsverlag, ISBN: 398104620X