Indien - die größte Demokratie der Welt?

allerweltshaus logoAm 13. November 2014 referierte Gerhard Klas über das Buch „Indien. Die größte Demokratie der Welt?" von Dominik Müller. Er fasste dabei zunächst die wesentlichen Gedanken Dominik Müllers zusammen und las aus dessen Buch vor.

Am 16. Mai 2013 fand in Indien die Wahl statt. Es gibt kein mit Indien vergleichbar großes Land, in dem es eine Wahldemokratie gibt.
Es gab aber bereits seit der Einführung der Demokratie 1950 in Indien immer wieder Kritik an dem System und viele der sozialen Errungenschaften seit den 50er Jahren werden heute in Frage gestellt.
Dabei hat die soziale Polarisierung seit Anfang der 90er Jahre extrem zugenommen. Dies verdeutlicht der Autor des Buches an Hand von einigen Beispielen.
Es gibt in Indien mittlerweile eine extreme Konzentration des Reichtums, was unter anderem die prächtigen Privattempel auf der einen und die armen Slums auf der anderen Seite verdeutlichen.
Diese Konzentration des Reichtums wird aber durch die Mittelschicht nicht in Frage gestellt.

Als Beginn der Polarisierung wird die Marktöffnung Indiens Anfang der 90er Jahre genannt. Diese Marktöffnung zog erhebliche Konsequenzen nach sich.
Seitdem stieg die Zahl der Suizide bei Kleinbauern rapide an. Dies ist dadurch zu erklären, dass durch die Marktöffnung Firmen aus anderen Ländern teures, genverändertes Saatgut an die Bauern verkaufen.
Die Erträge der Bauern reichen aber bei den geringen Weltmarktpreisen nicht dazu aus das teure Saatgut abzuzahlen. Dadurch sind viele der Bauern so hoch verschuldet, dass sie keinen Ausweg mehr sehen.
Zudem wird die Agrarwirtschaft in Indien oft als nicht besonders ertragreich angesehen, obwohl mehr als die Hälfte der Gesellschaft Indiens von der Agrarwirtschaft lebt, wobei der Großteil davon Kleinbauern sind.

Da diese Mehrzahl aber Subsistenz- / oder Teilsubsistenzbauern sind, tauchen sie nicht im Bruttosozialprodukt auf, sodass, obwohl die Hälfte der Bevölkerung von der Agrarwirtschaft lebt, sie dennoch nur 20 % des Bruttosozialprodukt ausmachen.

Eine weitere Auswirkung der Marktöffnung war der politische Aufstieg der Hindunationalisten, die zuvor keine nennenswerte Rolle in der Politik Indiens gespielt hatten.
Diese Partei hat nun bei den Wahlen am 13. Mai mit absoluter Mehrheit gewonnen.
Dominik Müller hält die Hindunationalisten für durchaus gefährlich und begründet dies mit der Ausgrenzung und der Gewalt gegen die in Indien lebenden Muslime.
Er versucht den politischen Aufstieg der Partei mit dem schwindenden Vertrauen der Inder an dem postkolonialen Konsens, alle Inder würden am Reichtum des Landes teilhaben, zu erklären.
Das Vertrauen darin schwand, so Müller, spätestens mit der Öffnung des Marktes. Dies sei nun ein religiöser Kompensationsversuch gegen das Versagen der bis dahin amtierenden Kongresspartei.

Der Aufstieg der Hindunationalisten ist seit den 90er Jahren zu beobachten und begann mit der Zerstörung der Babri-Moschee in Ayodhya, um dort einen hinduistischen Tempel zu bauen.
Der heutige Premierminister, Narendra Modi, ist schon seit seiner Kindheit Mitglied des RSS, der als Rückgrat der Hindunationalisten gilt. Dominik Müller beschreibt die Strukturen dieses Verbundes als faschistisch.
Narendra Modi selbst ist eine umstrittene Person. 2002 gab es in Gujarat, wo Modi zu der Zeit Minister war, einen Pogrom gegen die dort lebenden Muslime.
Er selbst behauptet nichts davon gewusst zu haben, verteidigt den Pogrom aber und gibt den Muslimen selbst die Schuld daran.

Zwar wurde Modi von einer Sonderermittlungskommission freigesprochen, doch gibt es trotz allem Belege dafür, dass dies nicht stimmen kann.
Modi wurde dennoch als Minister in Gujarat wiedergewählt.

Noch immer gibt es eine starke Ausgrenzung der muslimischen Bevölkerung in Indien. Es gibt dort eine Art Ghettobildung, wo ca. 400.000 Leute unter schlechten Bedingungen leben.
Für diese Teile werden aber vom Staat keine weiteren Mittel zu Verfügung gestellt, um die Situation dort zu verbessern.
Im Jahre 2006 wurde in einem Bericht festgestellt, dass die Muslime in Indien in allen Bereichen deutlich unterrepräsentiert sind.

Dieser Bericht wurde sofort von der Modi- Regierung als gegen die Verfassung verstoßend angeklagt.

Nichts desto trotz hat Modi die Region Gujarat wirtschaftlich weit nach vorne gebracht und durch ihn wurden nun auch in ganz Indien neue, große Wirtschaftsprojekte eingeleitet.
Seit seiner Wahl wurde Narendra Modi von den großen Nationen, wie beispielsweise den USA eingeladen, obwohl ihm vorher noch wegen seiner fragwürdigen Rolle bei den Pogromen die Einreise verboten wurde.

In der anschließenden Diskussion wurde versucht zu erklären, warum Modi, trotz all dieser Vorwürfe, dennoch gewählt wurde und es wurde dabei unter anderem auf den wirtschaftlichen Erfolg und die Schaffung von Arbeitsplätzen verwiesen.
Als Antwort wurde auf die Verelendung der Bauern durch die bisherige und weitere Marktöffnung verwiesen. Auch wurde darauf hingewiesen, dass viele der Leute vom Land nicht einfach in die Stadt gehen könnten, da sie nicht die Qualifikationen für die dortigen Arbeiten hätten.

Auch wurde noch einmal deutlich gemacht, dass das von Indien angestrebte Fortschrittsmodell, wie es beispielsweise In den USA praktiziert wird, in Indien in dieser Form gar nicht möglich ist.

Demnach sollten nur noch wenige in der Landwirtschaft tätig sein und, nach dem Vorbild der Industrialisierung, immer mehr Menschen in die Städte gehen. Aufgrund des aber schon bestehenden hohen technischen Standards im Rest der Welt ist eine Industrialisierung nach den damaligen Maßstäben allerdings gar nicht mehr möglich.

Gerhard Klas ist aber trotzdem der Ansicht, dass für Indien Hoffnung besteht. Er sieht im inneren durchaus Kräfte die es schaffen können Indien wieder zu einer demokratischeren Gesellschaft zu machen. Er deutete dabei kurz die Überlegungen zur Ernährungssouveränität an, die allerdings im krassen Gegensatz zur angestrebten Freihandelspolitik stehen.

Das Allerweltshaus bedankt sich bei Gerhard Klas für den interessanten Vortrag.
Moderation: Ralf Berger / Bericht: Rebecca Reising

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Im Allerweltshaus, Körnerstr. 77-79, Köln-Ehrenfeld, Eintritt frei – Spenden willkommen

Quelle Text: ©Allerweltshaus Köln e.V. / Projekt "Erinnern und Handeln für die Menschenrechte" www.menschenrechte-koeln.de

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