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Interview mit Rolf Jahn "Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier zur Kunsthalle?"

web01Am 07. März 2009 eröffnet in Köln-Mülheim die Ausstellung „Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier zur Kunsthalle?“ in der Galerie-Graf-Adolf. Es werden Gemälde des Kölner Künstlers Rolf Jahn gezeigt.

Rolf Jahn ist 1962 geboren, sein Werk nennt er Raldysmus und ordnet sich so selbst in den Kunstbetrieb ein. Neben seiner Ausstellungstätigkeit macht er mehrmals im Jahr Malprojekte in Schulen, Kindergärten und sozialen Einrichtungen. Zudem gestaltete er zahlreiche Fassaden von Bauten in ganz Köln. In Nippes hat Jahn sein Atelier, welches auf den ersten Blick, eher eine Kunsthandlung vermuten lässt. Doch schaut man genauer hinein, sieht man neben den großformatigen Bildern an der Wand und im Schaufenster, die unverkennbar, der Hand des Künstlers entspringen, dass es sich hierbei, um eine Kunstwerkstatt handelt. Es ist offen gestaltet und so soll es sein. Die Menschen können schauen und sich mit dem sympathischen und unkompliziert wirkenden Mann unterhalten. Das haben wir getan.

Hallo Rolf. Du sagst, bevor Dich jemand einordnet, ordnest du dich lieber selber ein. Aus diesem Grund hast du den Raldysmus begründet. Was versteht man darunter?
Es ist ein erfundenes Wort, also eine Wortneuschöpfung. Es bezeichnet das Verfahren aus einer unbewussten, schnellen Linie eine bewusste Geschichte zu machen. Ich zeige es dir mal gerade.

(Malt auf ein Blatt Papier einen Schnörkel - ähnlich wie die Kritzeleien, die man bei Telefonaten oft veranstaltet - und lässt daraus ein Vogelwesen, welches bei mir die Assoziation einer Frau herruf, entstehen. Ihr leichtes freundliches, reines Wesen ist nur in Form des Gesichtes zu sehen. Der Rest ist unter einen Panzer oder Mantel gehüllt. Darüber entfaltet sich dann das prächtige und facettenreiche Gefieder)

Die meisten Leute hören nach dem Kringelkrakel auf. Doch ich gehe dann konkret ran und kucke, was ich daraus machen kann.

Eines deiner Projekte ist Dein neues Buch, mit dem Titel: “Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier zur Kunsthalle?“. Was kann man darin sehen und wie bist du auf diesen Namen gekommen?
Ich habe verschiedene Kataloge gemacht und dies ist jetzt mein zweites Buch mit Texten von Prof. Dr. Frank Günter Zehnder von der Universität Bonn und von dem Journalisten und Autor Jürgen Kisters.
Es sind verschiedene Bilder und Zeichnungen und Wandmalereien zu sehen. Nun, der Titel ist zugegebener Maßen ungewöhnlich. Ich habe lange überlegt und habe dann den Namen des Titelbildes genommen. Zumal diese Frage sehr viele Kunstschaffende zur Zeit beschäftigt.
Der Markt ist zu, es kommt keiner in die Kunsthallen rein. In Deutschland sind tausende von Bildenden Künstlern ausgebildet worden, für die es gar keinen Bedarf gibt. Da fragt man sich warum es in Deutschland 52 Kunstakademien gibt. Das ist schade.

Wie war der Weg bis zum Raldysmus?
Als Kind hab ich gern gekuckt und war begeistert, wenn ich Bilder sah. Viele Kinder erfreuen sich an Tönen oder Geräuschen....bei mir war es so, dass von Kindesbeinen an, Bilder eine starke Faszination auf mich ausgeübt haben. Ich habe immer gern und viel gemalt und habe schon früh davon geträumt Künstler zu werden. Als Teenager bekam ich durch meine Mutter, die selbst begonnen hatte zu malen, viel Kontakt zu Kunst und Künstlern. Das war mehr der Bereich der Outsider-Kunst, also eher die Randbereiche. Dadurch habe ich Anfang der achtziger Jahre angefangen ganz naive Kindergesichter zu
malen. Aus dieser Zeit werden auch Werke in der Ausstellung, in der Galerie – Graf - Adolf zu sehen sein. Wer das möchte, kann meine Entwicklung dann anhand von Bildern nachvollziehen.


Du bist freiberuflicher Künstler. Trotzdem hast Du eine solide Ausbildung zum Maler und Lackierer gemacht. Warum?
Weil ich dachte, dass ich so meine Kunst finanzieren kann, bis ich irgendwann davon leben kann. So war`s dann auch. Nach meinem Kunst-Studium habe ich eine halbe Stelle als Maler und Lackierer gehabt und mich meiner künstlerischen Arbeit gewidmet. 1994 habe ich dann entschieden, dass ich eines von beiden, und das dann richtig, machen sollte. Seitdem bin ich selbstständiger Künstler. Die Lehre war wichtig. Es ist gut, wenn man etwas kann. So hat man immer die Option, wenn es mit der Kunst doch nicht reichen sollte, wieder seinen Beruf auszuüben. Obwohl das heutzutage auch schwer geworden ist.

Was gefällt dir an deiner Arbeit?
Es ist ein schöner Beruf und ich betreibe ihn mit wachsender Begeisterung. Weil ich am Anfang des Jahres nicht weiß, was ich am Ende des Jahres mache. Manche Leute bedroht solches Gedankengut, aber ich finde das gut. Außerdem habe ich hier ein schönes Atelier in
einem netten Viertel.

Dies ist ein offenes Atlier, in dem du zur dauernden Kommunikation einlädst. Das ist ungewöhnlich, denn meist schaffen Künstler lieber im Verborgenen. Was ist der Grund dafür?
Der Hauptgrund für mich zu malen ist, dass ich Geschichten zu meinen Bildern hören möchte. Das ist schon seit langer Zeit so. Das hat schon etwas exhibitionistisches. Die Wandbilder zum Beispiel entwickele ich vor Ort und für den Ort auch mit den Leuten. Die, die da schimpfen oder sich mit mir streiten, haben genauso Einfluss auf das Entstehende, wie die, die sich darüber freuen. Das ist kontrovers diskutiert. Das gefällt ja auch nicht jedem. Wenn ich mit bunten Farben in triste Wohngebiete komme, dann sind die Leute erst mal verwirrt. Es entsteht eine Diskussion, genau, wie in meinem Atelier und das finde ich gut. Ich bin so und meine Werke entstehen auf diese Weise. Deshalb versuche ich auch an allen Orten, an denen ich ausstelle, ein offenes Atelier einzurichten.

In Köln findet man mittlerweile einige Wandmalereien von Dir, die in deinem Buch sehr schön beschrieben sind. So hast du u.a. hier in Nippes am Wilhelmplatz oder auch am Ebertplatz Gebäuden mit deiner Kunst ein anderes Gesicht gegeben. Machst du das allein?
Das kommt darauf an. Ich mache das teilweise allein und teilweise mit Kindern und Jugendlichen. Das ist unterschiedlich. Es hat alles Vor- und Nachteile, wie in allen Bereichen des Lebens. Wenn ich allein an einer Wand male, dauert es länger, aber dafür wird es so, wie ich es möchte. Mache ich es mit den Kids zusammen, geht’s schneller, aber dafür muss ich diesen Hummelhaufen auch zusammen kriegen und halten.

Deine Überzeugung ist, dass jeder malen kann. Wie meinst du das?
Der Gestaltungsprozess läuft ja so ab: Man hat eine weiße Fläche vor der man sitzt und als erstes schaltet man den Kopf aus. Diese ganzen Gedanken und auch die Zielvorstellungen von dem, was man schaffen will, braucht man beim kreativen Prozess nicht. „Ich kann nicht male!n“, sage ich nur, weil ich eine Erwartung daran habe, was ich malen will. Wenn ich dieses nicht erreiche, dann bin ich frustriert und finde ich kann das nicht. Wenn ich mir aber sage, diese Woche erfreue ich mich nur an rot und grün! Mache dann zwanzig Blätter nur in rot und grün und zerknittere diese, bügele sie und mache alles mögliche, was ich
einfach mal damit machen will. Dann verschafft mir das eine Befriedigung. Denn ich schaffe und gestalte einfach etwas von mir. Das muss ja niemandem gefallen. Darum geht es auch nicht. Man gibt sich selbst einem Prozess hin und lässt sich treiben, ohne zu wissen was draus wird. Nach einer Weile hat man mit Sicherheit auch etwas geschafft, was einer dritten Person gefällt.


Der kreative Prozess kann also dem Menschen gut tun?
Ja das tut er. Es ist einfach schön, wenn man für sich selber ein Medium findet, in dem man sich ausdrücken kann. Weil man sich dann einfach besser fühlt. Ob das nun Malen, Schreiben, Tanzen, Kraftsport...was auch immer, ist. Weil in der Konzentration auf das eigene Ich, erfährt man eine Selbststärkung, die man danach, in Kommunikation nach außen hin, wieder freundlich verstreuen kann. Während man etwas Kreatives tut, fühlt man sich besser und dann ist man auch offener für das, was um einen herum passiert. Ich meine damit nicht, dass wie in Religionen oder auch in der Kunst, der eine sich besser findet als der andere, sie sich praktisch gegenseitig bewerten. Das will ich nicht. Sondern einfach, wenn jeder für sich etwas finden würde, womit er anderthalb Stunden pro Tag nur mit sich selbst beschäftigt ist...dann sähe die Welt schon anders aus. Ich denke Kultur kann helfen glücklicher zu sein. Der, der drei Stunden gemalt und gezeichnet hat, kann sich danach noch sieben Stunden mit seiner Familie unterhalten - um es mal überspitzt auszudrücken.


Ist das der Grund, warum Du Dich sozial engagierst? Denn Du machst sehr viele Projekte mit Kindern und Jugendlichen, aber auch mit ganz verschiedenen Gruppen.
Ja, ich vermittel gern. Hier sehe ich die Möglichkeit meinen kleinen Beitrag dazu geben zu können, um die Welt ein Stück positiv zu prägen. Den kleinen Teil, den ich machen kann, versuche ich zu machen...weil das gerade mit Kunst und Kultur gut geht. Es ist einfach ein gutes Medium. Ich bin von der heilenden Kraft des kreativen Prozesses überzeugt. Weil das die Leute befriedigt. Wer täglich malt und zeichnet, dem geht es einfach besser, als wenn er es nicht tun würde.


Was für Projekte machst du?
Das ist ganz verschieden. Neben der Wandmalerei, arbeite ich auch so viel mit Kindern und Jugendlichen. So habe ich z.B. seit vielen Jahren Schülerpraktikanten bei mir im Atelier. Oder ich mache eine Ausstellung im Polizeipräsidium. Da habe ich nach ein paar Verhandlungen ein offenes Atelier einrichten können. Ich wollte damit Täter und Opfer an einen Tisch bringen. Ich arbeite in Psychiatrischen Einrichtungen, Goethe-Instituten u.v.m. Das sind also ganz verschiedene Sachen. Ich zeige den Menschen mein Prinzip des Raldysmus und gebe ihnen somit ein Mittel, einen Schlüssel, der es ihnen ermöglicht, kreativ etwas zu gestalten. Wenn sie dann anfangen Kringel zu malen und diese bearbeiten, dann freuen wir uns darüber.

Wie bringst du dich als Künstler zusätzlich in die Gesellschaft ein?
Mein Anliegen ist es in Kunst und Kultur zu vermitteln. Gerade in diesem Bereich wird oft polarisiert und Stellung bezogen. Ich finde es schöner die Vergangenheit zu betrachten, die Gegenwart und die Zukunft und eine schöne Abwechslung zu zeigen. Wenn Gerhard Richter z.B. ein Fenster im Dom gestaltet, finde ich das gut und auch wieder nicht. Ich freue mich, dass eine der berühmtesten Kirchen der Welt mit einem der bekanntesten Künstler der Welt zusammenarbeitet, das finde ich gut. Ob das eine gute Lösung ist, in ein gothisches Fenster Rechtecke reinzusetzen...ich finde das nicht. Wenn er dann aber sagt, er findet das dann so hübsch anarchistisch. Muss ich sagen, dass das eine witzige Erklärung ist. Doch ich denke, es ist eher ein Schlag in den Nacken der gläubigen Christen hier in Köln. Ich würde nie sagen das Fenster ist nicht gut. Sondern bei Sonnenlicht gefällt mir das gut, wobei ich es unpassend für den Kölner Dom finde. Trotzdem gefällt es wiederum vielen Menschen. Was ich damit sagen will, es gibt immer ganz verschiedene Aspekte. In solchen Diskussionen versuche ich zu vermitteln.

Was wünschst du dir für die Zukunft?
Weniger Leid und Elend in der Welt. Und für mich, dass es so weiter geht, wie in den letzten zwanzig Jahre.

Weitere Informationen zu Rolf Jahn:

Entschuldigen Sie bitte, wo geht es denn hier zur Kunsthalle?

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