Everdeen aus Stuttgart releasen Album & Single

everdeen coverDas hier ist für die Träumer. Für die Kämpfer. Für all die, die immer noch auf das Licht am Ende des Tunnels warten. Nach dem Chaos von den letzten zwei Jahren, die Jahre der geplatzten Träume und durchkreuzten Pläne, treten Everdeen auf den Plan und versorgen uns mit etwas, das wir so sehr gebraucht haben: Pure, ungefilterte Emotion. In Songform.

Und auch wenn alles andere den Bach runtergehen sollte, dann haben wir ja immer noch diese Arznei namens „Stay“, ein Album mit einem fast schon prophetischen Titel in diesem seltsamen Jahr, in dem alles zum Stillstand kam.

Nachdem sie in den letzten Jahren mehr als nur ein wenig Aufsehen in der erblühenden Indie-Szene Süddeutschlands generieren konnten, sind Everdeen jetzt bereit für den nächsten Schritt. Der wird aber eher zum Sprung: Mit „Stay“ entledigen sie sich endgültig der Rolle der melancholischen, introvertierten Indie-Tagträumer und zeigen uns stattdessen ihr wahres, weltoffenes Gesicht. Zwischen kosmopolitischer Chuzpe und jener schwer greifbaren Sehnsucht gabeln auf dem Weg zahlreiche neue Einflüsse und Aromen für ihren jenseitigen Indie Rock auf und segeln entschlossen einem neuen Horizont entgegen.

Geschah natürlich nicht alles von heute auf morgen. Gegründet im sonnengetränkten San Francisco von US-Amerikaner Ian Stahl und der türkisch-deutschen Sängerin Sümeyra nachdem sie aus London an die Westküste der Vereinigten Staaten gezogen war, fand sich das Duo bald darauf in Stuttgart wieder. Hier trafen sie mit Schlagzeuger Thommy Mross und Bassisten Daniel Pflumm zusammen, mit dem sie ihren Sound reifen und gedeihen ließen. Wie es sich für ein wahrhaft interkontinentales und interkulturelles Quartett gehört, machte sich dieser Sound nie von einem bestimmten Ort abhängig und zielt eher auf internationale Standards ab, wie sie in Großbritannien oder Skandinavien aufgestellt werden. „Stay“ zeigt die drei dabei, wie sie ihren gespenstischen, melancholischen Mikrokosmos verlassen und nach etwas Größeren, Universellerem streben. „Diese Veränderung in unserem Klangbild passierte vollkommen natürlich und hat überwiegend mit unseren eigenen Hörgewohnheiten zu tun“, erklärt Ian. „Wir wollten Songs schreiben, die wir selbst gern live hören würden.“

Das macht „Stay“ nicht nur zu ihrer bislang stärksten Veröffentlichung; es ist zugleich ihr ergreifendstes, überzeugendstes Werk, ein Werk, das sich in triumphierenden, überwältigenden Soundwällen über seine Hörer ergießt. „Mit unserem Songwriting wollen wir die Geschichten unserer Lyrics unterstreichen. Das tun wir am liebsten, indem wir pure Euphorie entfesseln, die die Hörer bestenfalls direkt in die Brust trifft“, so Ian. „Unser Bedürfnis nach Katharsis durch Musik zwingt uns allerdings dazu, immer wieder neue Klangfelder zu erforschen und immer wieder andere Arrangements auszuprobieren.“ 

Dadurch wurden Everdeen zugänglicher ohne dabei ihre geisterhafte, ätherische Aura zu verlieren, die auch Bands wie Florence + the Machine oder London Grammar atmen. „Wir mögen diese Bands, haben zu viele Einflüsse, um alle hier aufzuzählen“, lacht Sümeyra. „Wenn wir Songs schreiben und aufzunehmen, versuchen wir zumindest nie bewusst, nur einen einzigen Einfluss zu kanalisieren.“ All das klingt nicht nur nach einem ziemlich aufwändigen Aufnahmeprozess; es ist auch einer. Nachdem sie schon 2019 für ein paar Songs mit dem Stuttgarter Produzenten Ralv Milberg (Die Nerven, Levin Goes Lightly) arbeiteten und von ihm die Schönheit eines bewusst rohen oder unperfekten Takes gezeigt bekamen, wandten sie sich diesmal der Klangfabrik von Marten Thielges zu (Heisskalt, Schmutzki). In seinem perfekt ausgestatteten Proxy Studio mitten in Stuttgart ließen sie sich mit Haut und Haar von ihrem gestaltwandelnden Sound verschlingen, türmten Schichten verzerrter Gitarren auf schimmernde Synthesizer, dynamisches Drumming, Sümeyras verzaubende Vocals und das tighte Spiel von ihrem neuen Bassisten Daniel Pflumm.

Und das Ergebnis, das spricht für sich: Die euphorisierende Wucht des Openers „This Place“, eine Hymne darüber, in einem Kaff gefangen zu sein, das bittersüße „Don’t Give Up The Ghost“ oder das sagenhaft treibende „Heart Shaped Gutter“ stehen für die wilde, die ekstatische und ausschweifende Seite des Trios, während Songs wie der elegische Sundowner „Colours“ oder das schwere, monumental wogende Epos „By The Water“ das Zwielicht in ihren Herzen zeigen und am besten nach Sonnenuntergang genossen werden sollten.

Am Ende fließt alles wie von selbst unter dem Titel des Albums zusammen. „Der Titel ‚Stay‘ hat mehrere Gründe“, schaltet sich Schlagzeuger Thommy ein. „Zunächst mal kommt das Wort ‚stay‘ in gleich mehreren Songs vor und hat dort jeweils eine andere Bedeutung. Wie wichtig das Wort für die Stücke und das Konzept des Albums ist, wurde uns aber erst bewusst, als das Album schon zur Hälfte stand.“ Sümeyra fügt an: „Als wir uns daraufhin eingehender mit den anderen Texten auseinandersetzten, merkten wir, dass sich die Bedeutungen des Wortes ‚stay‘ durch fast alle Songs schlängeln. Seziert man die Semantik dieses kleinen Wortes, merkt man schnell, dass es auch die Suche nach etwas bedeuten kann – nach einem Ort, an dem du bleiben kannst, während du dich gleichzeitig fragst, ob bleiben auch wirklich das richtige ist.“

Das hat seine Gründe. Geformt von Sümeyras Leben in London und San Francisco, von diesem überwältigenden Gefühl, allein in einer Stadt voller Fremder zu sein, erzählt „Stay“ auch davon, von einem Ort zu fliehen, an dem man sich nicht zugehörig fühlt. „Diese Sehnsucht nach etwas Neuem, nach meinem Platz in der Welt lässt mich Songs schreiben“, sagt sie. Derzeit ist dieser Platz Stuttgart, aber es ist gut möglich, dass sich auch das wieder ändert. „Wir lieben es, in Stuttgart zu leben“, sagt Ian. „Hier haben wir als Band zusammengefunden, doch es ist nicht diese Stadt oder Region, die uns als Band definiert. Wir sehen uns klar als internationale Band, die ihre Zelte eben in Stuttgart aufgeschlagen hat.“ Everdeen – das perfekte Exempel einer modernen Band, die an veralteten Konzepten wie Grenzen oder Nationalitäten glatt vorbeidenkt. Ian nickt: „Das ist uns als Band sehr wichtig. Nur ein Beispiel: Wir nahmen in San Francisco und Stuttgart auf, ließen unsere Songs in London mixen sowie in New Jersey und Schweden mastern. Und auch wenn die örtliche Gemeinschaft etwas wirklich Wertvolles ist, wollen wir nicht nur von ihr definiert werden.“ Ihre Musik übrigens auch nicht.

Autor: Björn Springorum 

Tracklist

  1. This Place  
  2. Heart Shaped Gutter  
  3. Colours  
  4. Don't Give Up The Ghost 
  5. Do You Wanna Play
  6. Where I Want You
  7. By the Water 
  8. Wake Me Up
  9. Liar 
  10. Secret Sounds
  11. This Place (London Edit)

Quelle: Motor Entertainment GmbH